Gesicht und Körper sagen mehr, als tausend Worte. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Körpersprache und Gesagtes zusammen passen. Dann klappt´s auch mit den Kunden.
Stadtfest in der Kleinstadt. Jürgen soll die Kunden am Eingang des Elektrofachgeschäftes begrüßen. Er hasst es, im Mittelpunkt zu stehen. Mit einer Hand voll Prospekten, Getränken und Gratis-Produkten wartet er auf Kundschaft. Die Schultern sind ihm nach vorne gefallen. Seinen Kopf hat er, wie zum Kampf vorgeschoben, seinen linken Mundwinkel nach innen gezogen, die Stirn in Falten gelegt. Insgeheim wünscht er sich, den Papierkram im Büro fertig zu machen. Im Übrigen versteht er überhaupt nicht, warum er als erfahrener Einzelhandelskaufmann wie eine Promo-Tussi am Eingang herum stehen soll. Ganz deutlich hat er noch die Ansage seiner Chefin im Ohr. „Du musst mehr aus dir heraus kommen, Jürgen. Du kannst dich nicht ständig hinter der Ware verstecken. Ich brauche dich als Berater für die Kunden. Das kannst Du beim Stadtfest gleich mal üben, indem Du unsere Kunden persönlich begrüsst - jeden Einzelnen.“
Laune = Körpersprache
Trotz innerem Widerstand teilte er seiner zielorientierten Chefin nicht mit, welche Qual das aktive Ansprechen Fremder für ihn ist. Er will sich vor den Kollegen nicht blamieren. Zu groß ist die Sorge, dass sie ihn nicht ernst nehmen, weil er hier abgestellt wurde. Ein Mitarbeiter kommt gut gelaunt mit drei Flaschen Sekt an seinen Tisch, schenkt die Begrüßungsgläser ein, grinst und meint „Na, Du Spitzen-Promoter? Nicht alles selber trinken!“ Jürgen zieht es den Magen zusammen. War das nun Ironie, Boshaftigkeit oder ein Scherz? Er sagt nichts und verzieht das Gesicht zu einer Grimasse.
Wahrnehmung - Bewertung - Ausstrahlung
Wie entsteht eigentlich Körpersprache? In unserem Kopf. Unser Gehirn nimmt in jeder Sekunde Millionen von Sinneseindrücken auf. Das Meiste davon wird aussortiert. Je nachdem, wie wir erzogen wurden, welche Erfahrungen wir im Leben gemacht haben, was uns wichtig ist und wie wir uns momentan fühlen, entscheidet das Gehirn, welche Informationen relevant sind und welche es verzerrt oder ganz ausblendet. Der verbliebene Mini-Bruchteil (ca. 0,1%) der tatsächlichen Sinneseindrücke wird zur angeblichen Realität verarbeitet und dem bewussten Verstand zur Verfügung gestellt. Dieser interpretiert und bewertet die Situation mit gut/schlecht, richtig/falsch, sicher/gefährlich, wichtig/nicht-wichtig, lustig/ernst, will ich/will ich nicht.
Der Bruchteil der Realität
Das Gehirn vergleicht die aktuelle Situation mit der Vergangenheit und gibt eine Einschätzung ab. Bereits gemachte Erfahrungen, ob positiv oder negativ, werden im selben Augenblick neu belebt. Mit jeder Erinnerung sind ganze Bündel von Gefühlen verknüpft. Man denke nur an die Gefühle beim Abspielen eines Songs aus der Jugend oder wenn ein Mensch einem anderen Mensch ähnlich sieht, mit dem intensive Erfahrungen gemacht wurden. Komplexe chemische Prozesse im Gehirn sorgen dafür, dass Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin, Dopamin und andere Botenstoffe und Hormone in speziellen Mischungen ausgeschüttet werden. Diese sind für den Muskeltones verantwortlich - also dafür, dass sich der Körper in bestimmter Weise bewegt. Zusätzlich zeigt sich unsere „Meinung“ im Gesicht. Wir können schön formulierte Worte sprechen, doch unsere Augen lügen nie. Authentisch ist der, der sagt, was er fühlt, denn dann passt das Wort zur Körpersprache.
Vergangen ist nicht vergangen
Jürgen fühlt sich vom Kollegen verspottet. „Oh Gott, da kommen schon wieder Kunden“, denkt er mit Blick auf die herannahenden potenziellen Umsatzträger. Ihm liegt der dämliche Spruch seines Kollegen im Magen. „Was sage ich bloß? Meine Chefin beobachtet mich. So ein Mist!“ Das Lächeln ist ihm vergangen. Durch die negativen Gedanken, schüttet sein Gehirn Stresshormone aus und stuft die Situation als bedrohlich ein. Jürgen schiebt es auf die Chefin und den Kollegen. Der wahre Grund ist eine tief im Unterbewusstsein verborgene Problematik. Als Kind wurde er in der Schule für seine Schüchternheit gehänselt. Das hat ihn noch introvertierter werden lassen. Er hält nicht viel von seiner Kommunikationsfähigkeit. Insgeheim glaubt er, nicht kompetent, interessant und sympathisch genug zu sein, um Kunden als Verkäufer zu überzeugen. Zudem findet er „Verkäufer“, die sich anbiedern, abstossend. Diese Urteile strahlt er aus. Sieht einer der Kunden noch seinem ehemaligen Lehrer ähnlich, wird die Situation geradezu irrational. Seine Einstellung widerspricht der Aufgabe, die seine Chefin ihm gestellt hat. Resultat: Er bekommt kein Wort heraus, wippt nervös von einem Fuß auf den anderen, schwitzt und meidet den Augenkontakt. Stresshormone kreisen im Körper. Er zweifelt noch mehr an sich und hat Angst vor seiner Chefin.
Adrenalin macht blind
Schließlich gewinnt die Schüchternheit die Oberhand. Er dreht sich weg und tut so, als würde er Prospekte ordnen. Das Verhalten dient als Verschnaufpause, um die Nervosität und das Schamgefühl in den Griff zu bekommen. Die Chefin sucht seinen Blick, reißt die Augen auf, zieht die Augenbrauen hoch und macht eine Kopfbewegung in Richtung Kunden. Hinter diesem Blick (Körpersprache) steckt eine ganze Kaskade von Einstellungen und Erwartungen der Inhaberin. Noch mehr Adrenalin wird in Jürgens Gehirn ausgeschüttet, der sich prompt ertappt fühlt. Unter großem Energieverlust setzt er eine „Alles gut“-Maske auf und bietet dem Kunden verzögert ein Glas des vorbereiteten Sekts oder Orangensaft an. Lächeln kann er allerdings noch immer nicht, was ihm überhaupt nicht bewusst ist. Seiner Chefin schon. Sie ärgert sich, was deutlich in ihrem Gesicht geschrieben steht. Sie sieht ihre Kosten, die investierte Zeit, die Arbeit, die sie in den Erfolg des Fachgeschäftes steckt. Sie erwartet von ihren Mitarbeitern, dass auch sie den Erfolg im Fokus haben.
Kunde vergrault
Der Kunde muss nun seinerseits interpretieren, was er von dem Mitarbeiter und dem Elektrofachgeschäft halten möchte. Er fühlt sich durch das wortkarge, sich abwendende Auftreten des Angestellten lästig und nicht willkommen. Ihm sind Höflichkeit und Freundlichkeit eine sehr wichtige Charaktereigenschaft. Er empfindet das Verhalten Jürgens respektlos. Dazu werden Gefühle aus der Vergangenheit hochgeladen, als seine Mutter ihn mit Schweigen bestrafte, wenn er nicht tat, was sie wollte. Das läuft unterbewusst in rasender Geschwindigkeit ab. Er merkt es nicht, sondern fühlt sich nur schlecht und wird plötzlich sauer.
Das Kaninchen im Scheinwerferlicht
Er wirft einen abwertenden Blick auf den Flyer, lehnt den Sekt ab und geht schnell weiter. Ebenso, wie Jürgens Abwenden, zeigt der Kunde ein verdecktes Fluchtverhalten. Das Gehirn differenziert nicht weiter. Gefahr führt zu Angriff, Verteidigung, Flucht oder Erstarren - unbewusste Versuche, mit der Situation umzugehen. Die Körpersprache ermöglicht einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt des anderen. Nur leider macht sich kaum einer die Mühe, hinter die Kulissen zu blicken. Ein jeder dreht sich vor allem um sich selbst. Fehlinterpretationen sind deshalb an der Tagesordnung. Weil kaum ein Mensch weiß oder sich eingesteht, warum er sich gerade nicht gut fühlt. Jürgen ist nach dem Vorfall wochenlang wütend auf seinen Kollegen, der ihm das eingebrockt hat. Er ignoriert ihn, geht ihm aus dem Weg und reagiert nicht auf Scherze oder Fragen, die über das fachliche hinaus gehen. Sein Kollege versteht die Welt nicht mehr. Die Chefin ist enttäuscht von Jürgen und teilt ihn unbewusst öfter für den Samstag ein. Zudem hört sie ihm nicht mehr richtig zu und zeigt sich ungeduldig und kühl. Sie verallgemeinert sein Verhalten als Arbeitsverweigerung und fühlt sich insgesamt frustriert mit ihrem Team. Das spüren auch die unbeteiligten Kollegen. Jeder verarbeitet die Signale auf sich bezogen. Weitere Konflikte entbrennen.
Die innere Haltung zählt
Was also tun? Wie können Sie Kunden, Kollegen und Mitarbeitern positiv begegnen? Wenn Gedanken Körpersprache machen, beginnt die positive Ausstrahlung bei Ihrer Bewertung einer Situation. Es ist also Einstellungssache. Es gilt, eine positive innere Haltung gegenüber der Arbeit, den Kunden und allen Beteiligten zu entwickeln. Sicher wäre es für Jürgen hilfreich gewesen, mit der Inhaberin ein ehrliches Wort über seine Unsicherheit zu sprechen. Vielleicht hätte ein anderer Mitarbeiter geradezu Freude an der Aufgabe gehabt. Die Chefin hätte ihre Einstellung und Erwartung mitteilen, sich aber auch für andere Sichtweisen öffnen können. Im Dialog hätten alle Mitarbeiter klären können, welche Aufgabe beim Stadtfest wem am Leichtesten fällt. Dadurch werden Stärken gestärkt und Schwächen gemanagt.
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