Freitag, 5. Mai 2017

Liebe: Konsumieren Sie oder sind Sie?

Impulse zum Nachdenken über die Liebe.

Wen lieben Sie? Ihre eigenen Kinder? Ihre Familie, Ihren Partner? Gelegentlich lieben Sie auch Ihre Freunde? Ihr Haustier? Ist das genug? Oder fühlen Sie sich trotzdem manchmal nicht genug geliebt, wertgeschätzt oder anerkannt? Haben Sie die Liebe reduziert?




Ich spreche von der Liebe, die Ihnen ein Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und innerer Ruhe gibt und zugleich das lodernde Feuer der Freude und Begeisterung in Ihnen entfacht. Wir (die westlichen Gesellschaften) haben diese unendliche Quelle der Verbundenheit auf die Abhängigkeit von anderen Menschen reduziert.

Warum denke ich darüber nach? Weil ich es jeden Tag erlebe. Wenn ich mit Menschen arbeite, sei es im Coaching oder im Seminar, suchen Sie alle das gleiche. Die bedingungslose Anerkennung und Liebe. Leider ist unser Konzept von Liebe ziemlich daneben.

Finden Sie sich in folgender Beschreibung wieder?
Je nachdem, welche Verletzung Sie selbst erlebt haben, limitieren Sie Ihre Liebe. Sie geben sie als Belohnung, um zu manipulieren oder etwas zu erreichen. Sie entziehen sie als Bestrafung oder Erziehungsmaßnahme. Sie stellen Bedingungen und haben Erwartungen an die Liebe. Dabei bleiben sie selbst oft leer zurück. Denn, wenn Sie sie als Instrument nutzen, das vom Verhalten anderer abhängt, stoppen Sie den Strom der Liebe. Damit verhindern Sie gleichzeitig den Fluss einer weit über den Alltag hinausreichenden Kraft in Ihnen.

Ergebnis: Sie fühlen sich manchmal einsam, irgendwie abgetrennt, sinnlos, leer. Diese Leere ersetzen Sie mit Leistung, Konsum oder Genussmitteln.

Weil die Liebe für uns zu einem seltenen, kostbaren Gut geworden ist, müssen wir sie schützen und festhalten. Wir glauben, ein bestimmter Mensch wäre der Lieferant und klammern uns an ihm fest. Wir ketten uns regelrecht aneinander mit allen Mitteln. Und genau das trennt uns von der Liebe ab. Der Strom aus warmer, kribbelnder Energie und Verbundenheit, den wir spüren, wenn wir verliebt sind, ist in Wahrheit immer da.

Als kleines Kind bestehen wir nur aus Vertrauen und Freude. Wir denken sogar ziemlich lange, dass alles „Ich“ ist. Es ist, wie ein tiefer Einklang mit dem Dasein und allen Menschen. Wir geben uns dem Jetzt voller Freude hin, bis zu dem Moment, wo ein verletzter Mensch uns dafür bestraft. In diesem Moment wird dem Kind bewusst, dass Liebe nur zu bestimmten Bedingungen fließen darf.

Von der Liebe abgetrennte Menschen (das sind die meisten) lassen (als Erziehungsmaßnahme oder aus Ärger oder Gefühlsunterdrückung) den kindlichen Strom der Verbundenheit abprallen oder saugen ihn egoistisch auf, bevor sie limitieren und verletzen. Kinder können sich noch nicht schützen oder die Komplexität verstehen, also ahmen sie die Erwachsenen nach, weil sie ihnen glauben und vertrauen. Sie lernen von ihnen dass Liebe begrenzt ist, verraten werden kann, als Machtmittel dient und versteckt werden muss. Mir ihr werden Freude, Neugier, Lebenskraft und Verspieltheit verdrängt, die Gefährten der Liebe.

Im Grunde können Sie jeden Menschen lieben, wenn Sie es schaffen, die eigenen Grenzen, wer, wann, wofür, wie stark Ihre Liebe erfährt, zu sprengen. Um über diese Grenzen zu gehen hilft Ihnen der einzig wirksame Schutz vor der Enttäuschung durch Mitmenschen - die Selbstliebe. Wenn Sie  mit einem Menschen zu tun haben, der das Prinzip noch nicht gelernt hat und Liebe begrenzt, so ist das nämlich ziemlich ansteckend. Sie, als Erwachsener haben die Chance, das Gefühl der Nicht-Liebe zu verhindern, indem Sie sich innerlich dagegen schützen. Ein Kind kann das nicht. Auf Basis der Liebe zu sich selbst bleiben Sie im Strom der Verbundenheit, auch mit den Menschen, die weit weg von der Liebe sind. Das Fundament liegt also in Ihnen, nicht in den anderen. Wenn sie warten, bis Ihre Mitmenschen anfangen, warten Sie vielleicht für ewig.

Unsere natürliche Art wäre es, uns gegenseitig bedingungslos zu lieben. Aber das geht nicht mit jedem in dieser Welt. Bedingungslos heißt auch zu vertrauen, daß einer den anderen mit Kraft auffüllt, wenn das Leben ihn zeitweise aus seiner Mitte reißt. Und dazu muss ich den anderen nicht 20 Jahre kennen, geheiratet haben, verwandt sein oder Geld dafür bekommen. Jeder Mensch hat ein Gespür für andere. Nur wenn sich Nackte gegenseitig in die Taschen greifen wollen, ist keinem gedient.

Ich kann die Bäckersfrau genauso aus ihrem momentanen Leid heraus holen, wie mein eigenes Kind. Das allerdings klingt wie eine heile Welt, die wir noch nicht haben. Ich will Ihnen nur sagen, daß jeder Moment, in dem Liebe fließt, ein Schritt ins Paradies ist. Es ist notwendig, die Menschen wachzurütteln, die sich abkämpfen und von kleinsten Portionen Zuneigung existieren müssen.

Familie, Partnerschaft, Kinder, Freunde, darauf haben wir die Liebe reduziert und deshalb schützen wir diese Dinge mit unserem Leben gegen Feinde. Denn würden wir sie verlieren, wären wir allein. Das macht Angst. Dann wäre das letzte Quäntchen Liebe weg. Und das erscheint vielen als dunkles Dasein. Leider sind die meisten Menschen die überwiegende Zeit auf Abwegen unterwegs. Sie kämpfen, hassen, beneiden, beschuldigen, verachten, missachten und verraten. Sie zweifeln, schämen sich, fühlen sich schuldig, haben Angst oder fühlen sich ausgenutzt. All diese Abwege gilt es zu erkennen und zu verändern.

Das Konzept Liebe muss aufgebrochen werden. Wir müssen lernen, unsere Welt neu zu sehen, ohne alles, was wir erreicht haben, zu zerstören.
Die Liebe (zu sich, allen Menschen, dem Dasein, dem Augenblick) kann ein wunderbarer Partner im Alltag sein. Da wird der langweiligste Job zum Abenteuer und die Kollegen zur Familie.




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